Next Generation: Kreislaufgesellschaft – Kommunale Ressourcen, Werte und Chancen
Die Fachtagung des kommunalen Netzwerks ForumZ fand vom 12.-13.07.2022 in Würzburg statt. Die Teilnehmer freuten sich sichtlich, wieder in größerer Runde zusammenzukommen und die Situation der kommunalen Abfallwirtschaft in einer sich rapide ändernden Welt zu diskutieren.
Mit konzentriertem Blick auf die aktuelle Klimasituation wurde in Würzburg in unterschiedlichen Beiträgen darüber referiert, welche Rolle die kommunale Abfallwirtschaft bei der notwendigen Transformation der Gesellschaft einnimmt, bzw. einnehmen könnte. Bereits der Titel der Tagung mit dem Begriff Kreislaufgesellschaft belegt Richtung und Stellenwert der Veranstaltung.
Denn es geht um mehr als um monokausale Wertschöpfungsketten einer vielfach zu kurz greifenden Kreislaufwirtschaft, sondern, wie im Vorwort von OB Schuchardt betont, um „eine Änderung der Denkweise an, die die notwendige Innovation erst ermöglichen soll“.
Alexander Kutscher konzentrierte sich bei seiner Einführung ebenso auf das Motto dieser Veranstaltung, dem Wandel zur Kreislaufgesellschaft und die damit verbundenen kommunalen Ressourcen und Strukturen. Er erinnerte daran, dass ForumZ bereits bei der ersten Tagung in Würzburg am 02.07.2014 die Daseinsvorsorge und die Kommunen und kommunalen Unternehmen „als Begleiter und Gestalter des gesellschaftlichen Wandels im Blick“ hatte.
Mit dem Zitat Prof. Kurt Habers, aus seinem damaligen Vortrag wies A. Kutscher den knapp 70 Teilnehmer:innen der 25-Jahr Feier sowohl Richtung wie auch Lösungsmöglichkeit: „Die „Trias“ aus Lebensnotwendigkeit, Lebenserleichterung und Lebensbereicherung könnte als ein Maßstab der allgemeinen, nicht nur kommunalen Daseinsvorsorge dienen und die Nachhaltigkeits-Trias von Ökonomie, Sozialem und Ökologie ergänzen.“
Damit waren die gesetzten Themen „veränderte Denkweisen und Innovationen“ sowie „Nachhaltigkeit“ aufs Beste eingeführt.
Wie dringlich veränderte Denkweisen und Innovationen gerade heute sind, verdeutlichte Gangolf Wasmeier in seinem Beitrag. Mit seiner Grafik zur Entwicklung des Verpackungsverbrauchs zur Entsorgung (1991 bis 2019) mit dem Spitzenwert von 18,9 Mio. Tonnen im letzten Jahr unterstrich G. Wasmeier die Notwendigkeit der Abfallvermeidung. Seinem Zitat des EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius aus dem Oktober 2021: „Kunststoffabfälle sind eine wachsende Herausforderung, deren Aufkommen seit 2014 um 75% zugenommen habe. Wir sollten uns nicht selbst anlügen, dass wir uns aus dieser Situation herausrecyceln können. Das ist einfach nicht möglich“ ist nichts hinzuzufügen.
Wie nachlässig die Branche in Wahrheit mit den Wertstoffen umgeht, zeigt – sicher überspitzt die ARD-Dokumentation „Die Recyclinglüge“. Dass diese Sicht auf die Wahrheit von den Branchenvertretern eher unter den Tisch gekehrt wird (BDE: „ziemlicher Blödsinn“; BVSE: „journalistisches Armutszeugnis“) konterte G. Wasmeier mit einer Forderung nach einer Angemessene Reaktion. Geboten wäre eher, „Für Transparenz zu sorgen sowie eine entsprechende Verpflichtung zur Eigenkontrolle in der gesamten Branche“.
Mit Blick auf die Rolle der Kommunen bei der anstehenden Transformation zog er die notwendigen Konsequenzen:
- Abfallvermeidung muss endlich Eingang finden in unser Wirtschaftssystem und unser Konsumverhalten
- Gesamte Entsorgungskosten gehören aufs Produkt – geteilte Produktverantwortung, BEHG, usw. sind kontraproduktiv
- Produktverantwortung umfassend umsetzen
- Transparenz und Kontrolle einfordern
- Reparaturfähigkeit muss selbstverständlich werden
Was ein Verband in wachsender Größe auch ohne gesetzliche Vorgaben umsetzen kann, war das Thema von Thomas Knoll über die „ZMS – Ökonomische Stabilität in der Region“. In seiner Bilanz nach 40 Jahren Zweckverband. Neben dem Erhalt von mehreren hundert Arbeitsplätzen und der Versorgung einer lokal ansässigen Industrie, schaffte der Zweckverband Müllverwertung Schwandorf durch seinen Umstieg des Kohlekraftwerks auf ein mit Abfällen betriebenes Heizkraftwerk die Einsparung von 3,1 Mio. CO2-Äquivalente. Die damit erst möglich frühzeitige (vor 2005) Beendigung der Deponierung führte zu Einsparungen von zusätzlichen 5,15 Mio. CO2-Äquivalenten. Sichtlich ein Beitrag zur Erinnerung, was Kommunen in der Gemeinschaft leisten können.
Thomas Schwarz sowie Christian Baumann reflektierten in Vorträgen mit unterschiedlicher Sichtweise inwiefern, eine „Nichtfinanzielle Berichterstattung“, gemeinhin Nachhaltigkeitsbericht genannt, eine Hilfe sein können aufzuzeigen, was die kommunale Abfallwirtschaft zur Bewältigung der Klimakrise bereits beitragen und was sie konkret geplant hat. Einheitlicher Strukturen hierzu erhoffen wir uns zur nächsten Tagung.
Jürgen Morlok (Gesamtsicht auf Benchmarks) und Bernhard Lipowsky (Benchmark zu Elektroaltgeräte) stellten nach der Mittagspause die praktische Arbeit im Netzwerk ForumZ vor. Dass diese Arbeiten (Gegenüberstellung von Entsorgungskosten und – Leistungen diverser Stoffströme, Benchmarks, Austausch von Fachinformationen; gute Beispiele der kommunalen Partner) eine internationale Komponente haben müssen, berichtete Werner Bauer in seinem Vortrag „ForumZ 4.0“. Er erinnerte an die enorme Wirkung in der Reduzierung von Klimagasen als in Deutschland 2015 das Deponieverbot für unbehandelte Abfälle durchgesetzt wurde. Jede einzelne herausragende Leistung, die international bekannt und in irgendeinem Ort der Welt angepasst wiederholt wird, ist ein Beitrag zum Schutz unseres Klimas. ForumZ überführt (in Abstimmung mit den Betroffenen) bereits heute Fallbeispiele auf das Partnerportal www.wtert.net und setzt die Hilfe des von der Columbia University, New York ausgehenden weltweiten Netzwerkes WtERT. W. Bauer endet mit dem Zitat aus dem Jahr 2005 von Kofi Annan, dem ehemaligen UN-Generalsekretär:
„Unsere Ziele sind global,
aber sie können am effektivsten durch das Wirken der kommunalen Ebene erreicht werden“
Kurzvorträge von André Dungs, Mura Europa Holdings GmbH / Mura Technology Ltd., London über die Zukunft nachhaltigen Kunststoffrecyclings und Dr. Bertram Zwisele, ARGUS über Details bei der Feststellung der Recyclingquote schlossen den ersten – gefüllten – Tag.
Dass auch der Recyclingweltmeister Deutschland noch Klimmzüge bewältigen muss, um die EU-Quoten im Recycling zu halten, ist dem Beitrag des Büros für Statistik und Informationssysteme in Umwelt und Gesundheit GmbH aus Berlin zu entnehmen. Matthias Schwarzer zeigte anhand seiner Referenzen Schwarzwald Baar Kreis und ZV Donauwald wie mit dem RecyclingMonitor die Zusammenarbeit zwischen Wertstoffhöfen, Abfallwirtschaftsbetrieben und Entsorgungspartnern modernisiert werden kann.
Der zweite Tag widmete sich der Rolle der Kommunen beim Wandel der Gesellschaft – Ökonomie, Mensch, Ökologie und Kultur und damit dem großen Thema „Nachhaltigkeit“.
Der Einstiegsidee von Dr. Ralph Boch „Von der Kreislaufwirtschaft zur Kreislaufgesellschaft“ folgend, wurden die Leistungen und Potentiale der Kommunalen Abfallwirtschaft in parallelen Foren diskutiert. Durch kurze Impulsvorträge wurde in das jeweilige Thema eingeführt.
Forum 1: „Ökonomie“
Moderation May Schmidt mit Beiträgen von Michael Haas und Christof Wufka
Forum2: „Mensch“:
Moderation Kerstin Löber mit Beiträgen von Helene Herich und Martin Bretschneider
Sowie
Forum 3: „Ökologie“:
Moderation Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Siechau mit Beiträgen von Stefan Kaufmann und Dr. Thomas König
Nach ausgiebiger Zeit zur Diskussion, Beratung und Entwicklung neuer Ansätze wurden die Ergebnisse der Foren, sämtlichen Teilnehmern kurz vorgestellt.
Die weitreichenden Themen aus den Foren zeigten auf, wie wichtig ein Umdenken und Weiterentwickeln in nächster Zeit wird, aber auch wie schwierig es ist, alte Denkmuster zu verändern.
Dr. Thomas Bruhns Beitrag zu „Geisteshaltungen und Denkweisen für das Anthropozän“ griff diesen Gedankengang auf und führte einmal durch die gesamte Menschheitsgeschichte mit Schwerpunkt auf das Anthropozän: ein Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist.
Unter dem Thema „Kommunale Strategien als Beitrag zur Transformation“ leitete Dr. Marc Koch mit seinem Vortrag „Ganzheitliche Herangehensweisen an die Daseinsvorsorge“ den letzten Abschnitt der Tagung ein. Hierbei stellte er den „Entsorgungsverband Saar als Sandwich-Kind innerhalb einer großen Patchwork- Familie“ vor.
Im Anschluss führte Sabine Schulz Hammerl in ihrem Vortrag „München auf dem Weg zur Zero Waste City“ die weitreichenden Ziele und Ideen vor, die München gegen die Ressourcenverschwendung plant.
Einen anderen Ansatz stellt Gerald Guggenberger mit dem Thema „Kreislaufwirtschaft am Beispiel der Bioabfallvergärungs- und Schlackenaufbereitungsanlage der AVA“ vor. Die AVA Augsburg wurde mit ihren einzelnen Anlagen – Bioabfallvergärungsanlage, Biogasaufbereitungsanlage, AHKW – vorgestellt und das Wertstoffpotential in der Rohschlacke und die Vorteile des AHKW im Kontext mit der Bioabfallvergärung, hervorgehoben.
Ich schließe diese Zusammenfassung mit dem Fazit aus Gangolf Wasmeiers Vortrag:
- Es fehlt uns nicht an strengen Rechtsvorschriften.
- Es fehlt uns auch nicht an den wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten.
- Es fehlt uns an Transparenz, Ehrlichkeit, der notwendigen Kontrolle und auch an der nötigen Motivation.
Das einzufordern und umzusetzen muss der Anspruch der kommunalen Abfallwirtschaft sein.
Das Narrativ des „Größer, Schneller, Besser“ verliert seine Gültigkeit. Da ich mir dies nur im Rahmen einer kommunalen Entwicklung einer erweiterten Daseinsvorsorge vorstellen kann, freut es mich sehr, dass es vor nun über 25 Jahren gelungen ist, Kommunen zusammenzuführen und erste Versuche einer Weitergabe und Vernetzung von Wissen zu proben. Heute, über 25 Jahre später, scheinen „Impulsgeber für Innovation in der Abfall- und Kreislaufwirtschaft“ mehr denn je notwendig zu sein.
Protokoll: Werner Bauer, Gesa Bauer, Holger Saar
Hier finden Sie die Fachbeiträge zur Tagung.
In der Bildergalerie können Sie sich einige Impressionen von der Tagung anschauen.